Some foggy days…
Während der Norden schon kräftig friert und bibbert, schlägt hier der Herbst mit leiseren Tönen zu. Es hat zwar deutlich abgekühlt, wir sind aber immer noch in Plusbereich und heute auf dem Heimweg den Berg nach oben mit den schweren Tüten kam ich auch noch recht gut ins Schwitzen. Mit Eissegeln ist hier sicherlich essig!
Trotzdem ist das Wetter mittlerweile so, dass es ohne Jacke nicht mehr richtig geht und ich bin mittlerweile auch recht froh, dass ich ein paar warme Pullis mit eingepackt habe.
Die Heizung bullert auch kontinuierlich vor sich und verbreitet ein wohliges, warmes und gemütliches Ambiente. Ich sitze klarerweise wieder am Schreibtisch und bastel vor mich hin. Mittlerweile habe ich das notwendige GO aus Deutschland und verbringe jetzt die Zeit mehr in Word, als mit Excel, Stata, eViews oder SPSS. Noch 3 Wochen bis zm Fristende bei der EMAC, mal schauen wieviele Projekte wir dieses Mal untergehen. Die startegischen Allianzen sind zumindest geknüpft, und ich hoffe, dass meine Strategie meine Chancen auf zumindest ein Acceptance optimiert.
Typisch türkisch ist wohl auch, dass es gemeinsame Kamine in diesen größeren Apartmentkomplexen nicht gibt und jeder Haushalt über eine eigene Heizung verfügt. Zumindest kann ich mir es anders nicht erklären, warum aus jedem Geschoss kleine Wolken kontinuierlich nach draussen buffern und auch bei mir sich ein schöner Schleier vor dem Küchenfenster bildet, sobald ich mal heißes Wasser mache, oder der Ofen in eine neue Runde Wärme losbollert. Entsprechend vermute ich auch, dass das hier mit den Emmisionen noch etwas lockerer genommen wird, als in Deutschland…
Der Blick heute morgen aus dem Fenster war betrübend. Die Nacht über hat es durchgeregnet und über den Tag ist die Feuchtigkeit erst langsam verdunstet. Vor der Stadt über dem Meer beginnt sich eine weiße Suppe auszubreiten und ich bekomme eine Ahnung, was Koen und die anderen damit meinten, dass der Dezember in Istanbul recht nebelig sein wird. Auch wenn das ganze in Dichte und Depressionsfaktor noch lange nicht mit Kiel oder dem Bodensee mithalten kann, gemütlich ist sicherlich anders. Die Fotos heute sind vom Balkon aus auf das Marmara-Meer aufgenommen mit Blick auf die Prinzeninseln. Aktuell auch Schauplatz der zum Glück glücklich (zumindest für die Passagiere) beendten Entführung einer kleinen Schnellfähre.
Dabei haben die Türken ein ambivalentes Verhältnis zum Nebel. Zumindest, wenn er sich im gut gekühlten Glas aufhält. Was ich meine ist Raki. Der Anisschnaps ist hier ominpräsent und gehört zum guten Essen einfach dazu. Da wird dann auch schnell einmal der eigene Glaube geleugnet und das ganze als Medizin, die nach einem ausufernden Mittagsmahl sein muss, bezeichnet. Damit die “Patienten” auch schon vor dem Tischgang wissen, dass sie in guten Händen sind, finden sich die verschiedenen Werbeaufsteller in allen Restaurants. Fleissige Werber und Designer haben dazu das ihrige Getan, als dass sich die Werbefläche positiv und sinnvoll ins Gesamtarrangement der Tischkultur einpasst.
Raki selbst ist dem Ouzo oder dem Pastis sehr verwandt. Ein Anis-Schnaps, der mit kaltem Wasser aufgegossen wird. Während Ouzo für mich mehr eine dumpfe (und schmerzhafte) Erinnerung aus den Tagen des Heranwachsens ist, schätze ich den Pastis sehr. Ähnlich wie der Provencale hat auch der Türke eine gewisse Vielfalt an unterschiedlichen Destilaten im Angebot, die von sehr günstig bis ins gehobene Preissegment reichen. Obwohl er in der Gastronomie sehr beliebt ist, gestaltet sich die Beschaffung (zumindest in meiner Wohngegend) für den Privatkonsum schwer. In Supermärkten oder Kiosken habe ich bisher noch nie erlebt, dass alkoholische Getränke zum Verkauf stehen. Dafür gibt es – analog zu den USA – richtige Liquor Stores, die Süßigkeiten, Chips und jede Menge an Alkohol im Angebot haben. Neben den Standard West-Spitiruosen wie Rum, unzählichen Industrie-Whiskeys und ein paar Flaschen Gin immer auch eine breite Auswahl verschiedenster Rakis. Stilecht im Amerikano-Stil werden auch alle erstanden Waren in schwarze Plastiktüten verpackt, die dann jedem Passanten auf der Strasse – obwohl blickdicht – schnell ihren Inhalt signalisieren. Wichtigstes Auswahlkriterium bis dato (und nach dieser Geschichte) ist auf jeden Fall eine Steuerbanderolle oder ein bisschen Geduld und ein Vorkoster. Ich hab mich bis jetzt immer für einen mittel- bis unterpreisigen Raki entschieden. Der Geschmack ist zwar stark anisig, aber weit weg vom übliche 51er Marseille Pastis, der deutlich runder, voller und natürlicher daherkommt. Der bisherige von mir probierte Raki ist meist kräftiger im Geschmack und hat auch eine leicht spritige Unternote, die mich aber nicht besonders stört.
Ich war bis jetzt bei der Dosierung auch noch vorsichtig. Der Nebel im Glas reichte gerade mal für leichte Schwaden und war noch weit von der Blickdichtigkeit anderer Gemische entfernt, die wir beim Essen an den Nachbartischen bestaunen durften. Ich werde mich aber langsam vortatsten. Positiver Nebeneffekt: spontane Gedankenblitze. Gestern Abend hatte ich mehre Studen an einem Datensatz rumgebastelt, viel probiert, aber nie was richtig zum Laufen bekommen und sah mich schon die kommenden Tage von Hand das Problem lösen. Irgendwann gab ich genervt auf und habe mir dann doch noch zum Einschlummern einen Raki gegönnt. Und siehe da: zwei geleerte Gläser später hatte ich die passende Idee und heute morgen ist die ganze Sache in WIndeseile erledigt gewesen. Prost also!
Angenehmen Samstag Abend wünsche ich euch. Vielleicht ja auch bei einem Glas Yeni Raki. Den gibts auch in Schland!
Und dann gemeinsam, bis wir alle ne rote Nase haben: on some foggy christmas eve santa came to say…
Zum Wohle, euer Raoul!
PS: Ruth hatte mir erzählt. dass es auch eine griechische Glühweinraki-Version gibt, die sogar das Raki im Namen trägt. Leider habe ich den Namen vergessen. Any ideas?
Raki ist schon was feines! Hab die Erfahrung gemacht, dass Raki ab dem 4. Glas schmeckt…und nach dem 7. sollte man…ähm…vorsichtig sein. Zum Wohl!